Konzeption für den Workshop „Liebe, Sex, Beziehung auf Deutsch?“

 

Sexualpädagogischer Workshop für Geflüchtete

 

Besondere Lebenssituation und Herausforderungen von Geflüchteten aus (sexual-) pädagogischer Sicht:

 

Jeder Mensch ist zuallererst ein eigenes Individuum, dass nicht durch seine Herkunft festgelegt ist. Dennoch sind die Menschen die nach Deutschland flüchten in Ländern aufgewachsen und sozialisiert worden, in denen teilweise ganz andere Regeln des Zusammenlebens gelten, andere Rollenvorbilder vorgelebt werden und anderes Wissen als wahr gilt. Sie müssen eine gewaltige Anpassungsleistung bewältigen, um sich hier zu integrieren. Dies wird noch erschwert, da sie:

 

- sich unerwarteten Anforderungen und Rollenzuschreibungen gegenübergestellt

  sehen.

- andere Vorstellungen und Grundannahmen über Europa haben, bzw. ursprünglich

   hatten.

- sie bei ihrer Anpassung an diese neue Situation nicht auf ihr bekanntes Netzwerk

   aus Familie, Freunden usw. zurückgreifen können.

- hier teilweise mit massiven Vorurteilen konfrontiert werden.

- einen äußerst schwierigen, eventuell traumatisierenden Weg nach Europa hinter

   sich haben.  Unter Umständen wurden sie von Familienmitgliedern getrennt, 

   wurden mit Gewalt, Hunger, Unterdrückung, Missbrauch oder Ähnlichem

   konfrontiert.

- wissen, dass ihre Familien zu Hause eventuell Leid, Not, Terror oder Krieg aussetzt

   sind.

- einen unsicheren Aufenthaltsstatus haben und zum Abwarten gezwungen sind.

- und dies in einem fremden Land, dessen Werte, Gebräuche, Möglichkeiten,

   Anforderungen und Gesetze ihnen nicht ausreichend erklärt werden.

 

Dies gilt im Besonderen für die intimen Bereiche Beziehung und Sexualität, welche in den Herkunftsländern meist starr geregelt oder stark tabuisiert sind. Hier sind Fachleute entscheidend, die den Teilnehmern von unabhängiger Seite, in geschützter, vertrauensvoller Umgebung Beratung  und die notwendigen Informationen anbieten.

 

 Ziele des Workshops:

 

- Unterstützung zur Bewältigung der Anpassungsaufgaben 

- Befähigung zur Teilhabe und Integration

- Schutz vor Übergriffen (aktiv/passiv)                                       

- Sprachfähigkeit bei sexuellen Themen

 

Inhalte des Workshops:

 

- Sexuelle Grundaufklärung (Körper, Zeugung/Geburt, Gesundheit/Krankheit,

   Hygiene, Verhütung …)

- Situationsangemessene Sprachkompetenz (verbal und nonverbal)

- Informationen und tolerante Einstellung zur sexuellen Vielfalt (sex. Orientierung,

   Beziehungsmodellen, ...)

- Medienkompetenz in Bezug auf Pornografie und „sexuell aufgeladene“ Medien

   (z.B. Chats, Werbung)

- persönliche (sexuelle) Lebenssituation (z.B. Selbstbefriedigung, Partnerwunsch,

   Erfahrungen)

- Abgleich von Lebenswirklichkeiten und Mythen zwischen Herkunftsland und

   Aufenthaltsland,

  o Männer-, Frauen- und Kinderrollen          o Bedeutung von Fruchtbarkeit

  o Bedeutung von Ehre und Familie             o Tabus und den Umgang damit

- Informationen und Beispiele für zwischenmenschliches, bzw. paarbezogenes

  Verhalten  (z.B. Kontaktaufnahme, Grenzziehung, Sexualität, …)

- Auseinandersetzung mit Widersprüchen (aus Werten, Religion, Gebräuchen …) und

   Entwicklung eigener Standpunkte

- Wissen um sexuelle Rechte, Gesetze, Verhaltensspielräume und Rollen von Männer

   und Frauen

- Aufklärung über gängige Vorurteile gegenüber Flüchtlingen

- Thematisierung typischer Vor- und Nachteile der speziellen Lebenssituation der

   Teilnehmer

- Wissen um Zugänge zu Beratungs- und Unterstützungsangeboten

- Unterstützung bei Erziehungs- oder Beziehungsproblemen

- Beantwortung aller offenen Frage und Abbau von Unsicherheit

 

Die Inhalte werden im Zuge der Vorbereitung und Durchführung an die jeweilige Gruppe angepasst.

 

Anforderungen an die Workshopleitung:

 

- Unterstützungsmöglichkeiten für die Anpassungsprozesse

- Fachwissen zu den angebotenen Inhalten und deren typischen Anschlussthemen

- Reflexion von hiesigen Grundannahmen über Wissen und Werte

- in kurzer Zeit eine Vertrauensbasis und offene Arbeitsatmosphäre schaffen

- einfühlsam, aber auch klar, tabuisierte Themen ansprechen

- Erfahrung mit der Lebenswirklichkeit von Geflüchteten

- Einblicke und Bewusstsein für die Herkunftslebenswelten

- Möglichkeiten, die Sprachbarriere zu überwinden

- Wertedifferenzen aushalten und soweit möglich überbrücken

 

Rahmenbedingungen des Workshops:

 

- Vorbereitungsgespräch mit den Betreuern (evtl. per Telefon)

- Ankündigung durch die Betreuer (Infomaterial, Fragebox, …)

- 3 - 4 Termine mit ca. 1,5 Stunden (je nach Konzentrationsfähigkeit und Interesse)

o geschlechtshomogene Gruppen (inkl. Fachkraft)

o ohne Betreuer, mit Schweigepflicht der Seminarleitung, im störungsfreie

    Raum, spätestens nach Einleitung freiwillig

 o ein Termin mit zusätzlicher weiblicher Fachkraft zum Thema Umgang mit

    Frauen

- bei Bedarf Angebot eines Ergänzungstermin (z.B. bei viele Zwischen- oder

   Detailfragen; sehr schwieriger Sprachsituation)

- auf Wunsch ein Reflexionstermin mit dem Betreuerteam

- auf Wunsch nach 3 - 6 Monaten, Angebot eines „follow ups“